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BGH-Urteil zur Rechtsbeugung

Eine gefährliche Ausweitung des Strafrechts?

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) gegen den Familienrichter Christian Dettmar aus Weimar wegen Rechtsbeugung hat weitreichende Folgen. Während das Gericht betont, dass das Verfahren grundsätzlich korrekt eingeleitet wurde, führt es dennoch zu einer Verurteilung – basierend auf einer angeblich unzureichenden Dokumentation und einer fragwürdigen Bewertung der Gutachterauswahl. Doch wie stichhaltig ist diese Argumentation wirklich? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die richterliche Unabhängigkeit?

Der Fall: Worum ging es?

Der verurteilte Familienrichter hatte in einem Eilverfahren entschieden, dass Schulen die Masken- und Testpflicht für Schüler nicht weiter durchsetzen dürfen. Dabei hatte er ein Verfahren nach § 1666 BGB angestoßen, bei dem das Gericht von Amts wegen tätig werden kann, um eine Kindeswohlgefährdung zu prüfen. Der BGH selbst räumt ein:

„Zwar unterliegen Verfahren gemäß § 1666 BGB dem Offizialprinzip und werden – unabhängig davon, ob eine Anregung nach § 24 Abs. 1 FamFG vorliegt – von Amts wegen eingeleitet, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen.“

Dennoch wertet der BGH die Einleitung des Verfahrens als Teil der Rechtsbeugung – nicht, weil das Verfahren unzulässig war, sondern weil der Richter es nicht aktenkundig machte.

Fehlende Dokumentation als Verbrechen?

Ein zentrales Problem des Urteils ist, dass der BGH die Rechtsbeugung nicht aus einer falschen Entscheidung ableitet, sondern aus einem vermeintlichen Verfahrensfehler:

„Die Bestimmungen über das Verfahren im ersten Rechtszug in den §§ 23 ff. FamFG setzen aber unausgesprochen voraus, dass sowohl eine etwa gewährte Hilfestellung bei der Abgabe von Erklärungen als auch eine bestimmte Voreinstellung des Richters bei der Entscheidung über die amtswegige Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB aktenkundig werden.“

Die Formulierung „setzen unausgesprochen voraus“ ist bemerkenswert. Ein strafrechtliches Verbrechen kann nur dann vorliegen, wenn ein Gesetz ausdrücklich verletzt wird. Hier aber konstruiert der BGH eine Pflicht zur Dokumentation, die gesetzlich nicht eindeutig festgelegt ist – und macht deren Missachtung zur Grundlage eines Verbrechens.

Die Gutachterfrage: Maßstäbe ohne Prüfung

Ein weiteres zentrales Argument des BGH ist, dass der Richter voreingenommen gewesen sei, weil er gezielt Sachverständige mit einer bestimmten Meinung beauftragt habe. Doch obwohl der BGH Kriterien für die Gutachterauswahl aufstellt, unterlässt er eine entscheidende Prüfung: Waren die beauftragten Gutachter tatsächlich ungeeignet oder parteiisch?

„Die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei zu der Wertung gelangt, der Angeklagte habe sich über diesen für das Verfahren fundamentalen Grundsatz hinweggesetzt. Ihre Feststellungen tragen die auf den Missbrauch der Amtsstellung des Angeklagten lautende Schlussfolgerung, der Angeklagte habe trotz seiner schon vor Einleitung des Verfahrens bestehenden Voreingenommenheit zielgerichtet darauf hingewirkt, ‚ein Verfahren in seiner Zuständigkeit zur Entscheidung‘ zu bekommen, dessen ‚Ergebnis von vornherein vorgefasst‘ gewesen sei.“

Der BGH unterstellt also, dass der Richter das Verfahren bei seiner Gutachterauswahl in eine bestimmte Richtung gelenkt habe. Doch das eigentliche Kriterium für eine zulässige Gutachterauswahl – die Qualifikation der Sachverständigen – wird nicht einmal überprüft. Die Gutachten selbst werden von den Richtern des Bundesgerichtshofs nichteinmal auf Plausibilität überprüft. Sie seine deswegen „falsch“, weil die Gutachterauswahl „falsch“ sei. Es komme also nicht darauf an, ob sie wissenschaftlich korrekt seien.

Welche Gefahr bedeutet das für die Zukunft?

Eine der problematischsten Passagen des Urteils lautet:

„Dass der Angeklagte die Verstöße gegen das Gebot richterlicher Neutralität in der vorgefassten Absicht beging, die von ihm gewünschte Entscheidung ohne Rücksicht auf etwaige rechtliche Beschränkungen zu treffen, wiegt derart schwer, dass es im konkreten Fall weder auf die Motive des Angeklagten noch darauf ankommt, ob die Endentscheidung materiell rechtskonform war.“

Mit anderen Worten: Selbst wenn das Urteil richtig war, kann es als Rechtsbeugung gewertet werden, wenn dem Richter eine „vorgefasste Absicht“ unterstellt wird. Das ist eine gefährliche Ausweitung des Straftatbestands, denn:

  • Jeder Richter hat vor einem Urteil eine juristische Meinung – ist er damit automatisch voreingenommen?
  • Wie soll im Nachhinein bewiesen werden, dass eine Entscheidung von „vornherein vorgefasst“ war?
  • Kann jeder Richter, der eine unpopuläre Entscheidung trifft, künftig wegen Rechtsbeugung belangt werden?

Diese Unklarheiten sind eine direkte Bedrohung für die richterliche Unabhängigkeit. Wenn nicht das Ergebnis einer Entscheidung, sondern nur noch die angebliche „innere Einstellung“ des Richters zur Strafbarkeit führt, ist dies ein gefährlicher Präzedenzfall.

Fazit: Eine bedenkliche Entwicklung

Das Urteil des BGH wirft erhebliche Fragen für die Zukunft auf:

  • Die angeblich fehlerhafte Dokumentation hat das Verfahren inhaltlich nicht verändert – wie kann sie dann eine Rechtsbeugung begründen?
  • Der BGH definiert Maßstäbe für Gutachter, ohne zu prüfen, ob diese tatsächlich verletzt wurden.
  • Ein Richter kann sich strafbar machen, auch wenn seine Entscheidung objektiv korrekt war – das öffnet Tür und Tor für eine nachträgliche politische Bewertung von Urteilen.

Damit setzt der BGH einen gefährlichen Präzedenzfall. Die Grenze zwischen Verfahrensfehler und Verbrechen wird verwischt – mit unabsehbaren Folgen für die richterliche Unabhängigkeit. Wer entscheidet, wann eine „vorgefasste Meinung“ noch zulässig ist und wann sie zur Straftat wird? Richter werden künftig zögern, mutige oder kontroverse Entscheidungen zu treffen – und genau das wäre das Gegenteil von dem, was eine unabhängige Justiz ausmacht.

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Links zum vertiefenden weiterlesen:
https://netzwerkkrista.de/2025/03/06/kein-irrtum-das-schriftliche-revisionsurteil-im-rechtsbeugungsverfahren-gegen-richter-christian-dettmar/

Bildquelle: Image by MOM from Pixabay

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